Der Teufel und die hundert Raben
Nach uuraltem Bruuch,
und so wird s verzellt, sind früener die faarende Schüeler mängmòòl uf d
Chrüzgass use gange, wo ine de Tüüfel mängs Kunschtstückli glehrt hed. Es händ
aber nie mee und nie weniger wie zwölf dörfe sy; isch die Zaal zäme gsy, hed er
si die fäinschte Zauberstückli glehrt.
Aber ir chönnt s öi
tänke; de Tüüfel macht nüüt ume nüüt und vergäbe, und so hed er sich alimòòl
äin vo dene Zwölfe als Loon mit gnòò. Das hed aber di andere nììd öppe
verschreckt, näi, grad anderscht ume, me mäint jò immer s präicht de näbedraa
und nììd äim sälber, und esoo isch de Tüüfel sälte mit lèère Hände häi choo.
Iez hed s aber zwöi
Pùùrschte under dene Schüeler ghaa, wo sich vo Hèèrze guet gsy sind und kän hèt
welle oni de ander sy. Sie händ binenand i de glyche Stube gwont und sich d Chammere
zum schlòòffe täilt und niemert mag sich draa bsinne, as er je de äint oni de
anderi gsee hed. Wo die beide ghöört händ wa für groossi Zauberstückli iri
Gspaane a de Chrüzgass glehrt händ, sind s druuf und draa gsy zum sälber deet
ane z gòò, und doch sind s lang willwänkisch gsy vor Angscht, s mögt vergròòte,
und de Tüüfel chönnt uusgrächnet äin vo ine beede uuslääse, und si für eewig
abenand bringe, und daa, hètet beed nììd möge verlyde. So händs langi Zit draa
ume gmacht, sind immer öppe um d Chrüzgass gschlìche und händ doch de Guraasch
nììd ghaa für zum ine gòò.
Aber wie s so gòòt,
de Taag isch choo, und de Gwunder hed sich duregsetzt; si ziend so mit ere
Gschaar Studänte umenand und no bevor sis rächt gmèrkig worde sind, findet si
sich under äinisch ständlige under de zwölf Studänte a de Chrüzgass wider. Si
händ sich s Woort druuf gèè: Nume da äinte Mòòl und dänn nie mee, esoo gföörli
wird s für äis Mòòl scho nììd sy. Wi iez also die Stund ume n isch, hed de
Tüüfel so zringsletum i d Rundi glueget, es fyns Zittere gòòt dur d Räie vo de
Studänte und – er phackt de äint vo dene beede Fründe am Aarm
und nimmt in mit sich
furt.
De ander, chasch dir
tänke, isch vergelschteret häi gschlìche und hed nììd gwüsst wa tue. Im Bett
hed er ume grangget, gruusig ufs Läbe gschumpfe, hed sim liebe Fründ planget
und allpott nach em grüefft. Dänn undertaags isch er uufgregt und z underobsi d
Stròòss druuf und
duraab pressiert i
der Hoffnig, as er nöimehèèr sin Fründ wider zrugg überchonnt. Er hed im dòò
und deet und inwändig gfèèlt und s isch im gsy er chönn oni in nümm witerläbe.
Wo n er wider äismòòl
so truurig dur d Stròòsse gschlìche n isch und alls hed lo lampe lòò vor
Eländ, chonnt under
äinisch de Tüüfel nöimehèèr, zottlet graaduus uf in zue und säit zuenem: „S
macht mer de Ydruck häsch e langi Zit, hè! jò, jò, i wäiss, du hètsch din Fründ
gèèrn zrugg! Also mynetwäge, lauff zue; immer graaduus dùùr de Wald bis zu de
Hütte chonnsch; graad hindenusse stòòt en Haag, uf dem sitzet hundert Raabe,
drunder isch au din Fründ, erchännsch en use us dene hundert Raabe, so söll er
wider Mäntsch werde und dir ghööre, verròòtsch es aber nììd, so blybt er wa n
er isch und du chonnsch mit mir mit und ich wìll dir au
esoo n es schwaarzes
Fädereröckli schänke!“ De Tüüfel verbüügt sich und isch verschwunde.
De Pùùrscht hed nììd
gwüsst söll er lache oder söll er brüele, in en Gwaagg hed de Tüggeler sin
Fründ verwandlet. Lang hed er sich nììd müesse bsinne, oni sin Fründ isch sis
Läbe lèèr und oni Sinn gsy: „Erchänn en drususe so söll s mi fröie, verròòt is nììd, so
wird i zu me Raab, wie n er, und bi deet wo n er isch.“
Si s Hèèrz hed im
tanzet vor Fröid und so schnell as er hed möge, isch er loosgschuenet; dur de
Wald bis zu de Hütte, hindenusse quèèrfäldy über d Matte; und deet uf em Haag
sind s ghockt di Schwaarzröck, inere lange, lange Räie und händ d Chöpf lo
plampe lòò. Si händ in nììd gfüürchet , truurig händs de Schnabel glupft und is
Lèère gluegt, wo n er süüferli di Räie Gwaagge abgloffe und jede ufs Gnauschte
inspiziert hed. Aber wa für e Mùschterig isch da gsy!? äin gseet uus wi de
ander, jede pächschwaarz vom Chopf bis zu de Füess, allethalbe de chùùrz, dick
Schnabel und glänzig Schwungfädere, all zäme glych grooss, glych wüescht und glych
truurig. Äis übers ander Mòòl, wänn er gmäint hed er heb de richtig und scho
wìll mit em Finger druuf zäige, hed er en doch rasch wider zrugg zoge, will er
ebe doch nììd ganz sicher gsy isch und wo n er langsam aber sicher as Änd vo de
Räie chonnt, hed er kä Guraaschi mee ghaa. Wi hèts im au sölle glinge under all
dene Gwaagge sin Fründ z erchänne. Truurig luegt er nomòòl zrugg und gseet underäinisch, wi äim Raabe, wo
ganz i de Nööchi hockt, e Trèène is Aug chonnt: „Dèè isch es!!“ rüefft er und –
er hed uf de richtig zäigt. Mit hundertfachem Kraa
Kraa isch die
Raabeschaar uufgfloge und hinder em Hoger verschwunde. Bi im aber isch sin
Fründ gstande, mit de
Trèène im Aug und Hand in Hand sind s zäme häi gange.
MundArtlich Jürg Steigmeier
Quelle
Deutsche Fassung aus
Walliser Sagen, Johannes Jegerlehner, Olms Verlag (leicht gekürzt)
Der Teufel und die hundert Raben
Nach uraltem Brauch
gingen die fahrenden Schüler auf die Kreuzgasse, wo sie der Teufel allerlei
Künste lehrte. Es durften aber nie mehr und nie weniger als zwölf sein, und
wenn die Zahl beisammen war, so unterrichtete er sie in den feinsten
Zauberkünsten.
Doch tat er das nie
umsonst, sonder wählte sich einen der zwölf zum Opfer aus, wenn die Lehrzeit zu
Ende war und verschwand mit ihm. Das schreckte aber die andern nicht ab, sich
immer wieder einzufinden, denn jeder dachte, ihn treffe es nicht, und so
sammelte sich immer ein Trüppchen von zwölf an der Kreuzgasse, und der Teufel
ging nie mit leeren Händen aus.
Nun waren einmal zwei
Schüler, die sich innig liebten, stets beisammen waren, gemeinsame Spazier- gänge
ausführten, in derselben Stube assen und schliefen und unzertrennliche Freunde
waren. Sie waren als fahrende Schüler an die hohen Schulen nach Deutschland
gezogen und zusammen wieder heimgekehrt. Als sie sahen, welche grossen
Zauberkünste ihre Gefährten an der Kreuzgasse lernten, zog es sie mächtig
dorthin, doch zauderten sie lange, aus Furcht, der Teufel könnte sich einen von
ihnen herausfischen und sie für ewig trennen. Das wäre für beide gar
schrecklich gewesen.
Und wie es so geht,
sie schlichen immer um die Kreuzgasse herum und wagten sich doch nicht hinein.
Eines Tages aber war
die Lust doch stärker als der Wille; sie schlossen sich dem Trüppchen an und standen
auf einmal unter den zwölf Studenten an der Kreuzgasse. Sie hatten sich das
Wort gegeben, nur dieses eine Mal zu gehen und dann den Ort zu meiden. So
gefährlich würde es für dies eine Mal doch nicht sein. Als die Stunde um war,
schaute der Teufel in die Runde, ein Zittern ging durch die Reihen der zwölf
Studenten und – entsetzlich! – er packte den einen der Unzertrennlichen am Arm Und
führte ihn, ohne nur umzuschauen, hinweg.
Der andere schlich zu
Tode bekümmert nach Hause und konnte nirgends mehr Trost finden. Des Nachts
wälzte er sich auf dem Bette und rang die Hände und rief nach seinem lieben,
treuen Freunde,
des Tags wanderte er
rastlos talaufwärts, talabwärts mit verstörtem Gesicht und hoffte immer noch,
seinen Freund wiederzufinden. Er fehlte ihm überall, und er glaubte, ohne ihn
nicht mehr leben zu können.
Als er wieder einmal
in aller Trostlosigkeit durch die Strasse zog, die Hände in den Taschen und den
Kopf gesenkt, trat der Teufel aus einem Busche heraus, steuerte grad auf ihn zu
und redete ihn an: „Du langweilst dich ein bisschen, he! Ja, ja, du hättest
gern deinen Freund wieder! Nun gut, wandere zu; wenn du zur Hintersteinhütte
kommst, pass gut auf! Grad hinter der Hütte ist ein Zaun, und darauf wirst du
hundert Raben erblicken. Unter ihnen ist sitzt auch dein Freund auf der Stange.
Findest du ihn heraus, so soll er wieder Mensch werden und dir gehören, zeigst
du aber auf den falschen, so bleibt er was er ist, und du kommst mit mir, und
ich schenke dir auch ein Schwarzes Federröcklein!“ Der Teufel verneigte sich
und verschwand.
Der Student wusste
nicht, sollte er lachen oder weinen; also in einen Raben hatte der Böse seinen Freund
verwandelt! Ohne seinen Freund hatte das Leben für ihn keinen Wert mehr, und
darum war er sofort entschlossen, das Wagestück zu probieren. „Finde ich ihn
heraus, so soll es mich freuen, fehle ich ihn, so werde ich zum Raben wie er,
drum nur zu!“ Er richtete den Kopf auf, seine Brust hob und senkte sich in
freudiger Erregung, und schnellen Schrittes wanderte er seinen Weg.
Bei der Hintersteinhütte
schritt er querfeldein; dort sassen auf der Stange die Schwarzröckler in einer
langen, langen Reihe und liessen die Köpfe tief herunterhängen. Sie schienen
vor ihm keine Furcht zu
hegen, hoben nur den
Schnabel und schauten traurig ins Leere, als er langsam vorüberschritt und jeden
genau musterte. Aber was war das für eine Musterung! Der eine sah haargenau
gleich aus wie
der andere, jeder
pechschwarz vom Scheitel bis zu den Füssen, überall der kurze dicke Schnabel
und
glänzende
Schwungfedern, alle gleich gross, alle gleich hässlich und alle gleich traurig.
Als er sich dem Ende
der Reihe näherte, sank sein Mut, denn wie sollte er nun den richtigen heraus- finden!
Jedesmal, wenn er glaubte, ein kleines Abzeichen bemerkt zu haben und schon den
Finger ausstrecken wollte, zog er ihn schnell wieder zurück, denn es war eine
Täuschung gewesen. Er war an der ganzen Reihe vorübergewandelt und wollte
verzweifeln. Da blickte er zurück und sah, wie einer
der Raben eine Träne
ins Auge bekam.
„Der ist`s“, rief er
aus, „der ist`s“, und er hatte den richtigen erwischt. Die Rabenschar flog
krächzend auf, verdichtete sich zu einem Schwarm und verschwand hinter dem
Bergzug. Vor ihm stand sein Freund, dem die Träne noch im Auge glänzte, und
Hand in Hand kehrten sie zurück ins Heimatdorf. Seitdem hat man sie nie mehr an
der Kreuzgasse gesehen.
Jürg Steigmeier
Quelle
Deutsche Fassung aus
Walliser Sagen, Johannes Jegerlehner, Olms Verlag (leicht gekürzt)
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