Das schneeweisse Steinchen
S isch äinisch en
Hüetibueb gsy. All Taag hed er obe uf der Hööchi d Gäisse und d Schoof ghüetet.
S isch en süüfre Bueb gsy und gsunge hed er als wie n es Vögeli, und gjuuchzed
und gjodlet, as es zringsume i de Witi vom Taal zum ghööre gsy isch.
Do hed de Bueb
äinisch bim hüete en gruusige Tùùrscht bechoo und er isch so umegloffe und hed
uf der ganze Wäid nach emene Schluck Wasser gsuecht, und wie n er so umenand
gòòt, findt er bi nere mäischterliche Tanne es chlyses Weierli. Er isch
anechnüündlet und wott aafòò trinke, wo n er uf äinisch gmèrkig wird, wie sich
im Seeli die Tanne spieglet und drufobe es Vogelnäscht. Er nììd fuul, und tifig
wie n es Äicherli de Baum ue gchläderet und nach dem Näscht gsuecht, aber dòò
isch Wit und Bräits nüüt z finde gsy. De Bueb also, oni as er dem Vogelnäscht
mäischter worde wèèr, wider im Schuss abegrutscht, und dunde nomòòl is Wasser
glueget - und lueg do ane! wider spieglet sich tütlich das Näscht im Wasser. De
Bueb was gisch was häsch wider ue uf d Tanne - aber s isch gsy wie verhäxt, er
hed sich chönne d Auge uusluege, do isch nienets käi Vogelnäscht gsy. Das isch
so gange es dritts und es vierts Mòòl. Do äntlich isch em d Idee choo, er
chönnt jò im Wasser d Äscht zelle bis zum Näscht ue. Tänke und mache isch äis
gsy. Und iez isch es gange, und uf em rächte Ascht aachoo, langt er uf s Gròòtwool
is lèère use und hed unter äinisch es schneewysses Stäinli i der Hand ghebt,
und lueg do ane! iez hed er uf äinisch am Ascht, grad vor siner Nase, das
Näscht gsee bhange.
Da schneewysse Stäinli hed dem Bueb guet welle
gfalle, er heds in Hosesack gschoppt und isch wider de Baum abgchläderet.
Am Òòbig hed er sini
Gäisse und Schoof häi em Doorf zuetribe und hed xunge und gjodlet wie n er s
alls immer gmacht hed. Aber oha lätz! wie n er in Oort chonnt, speeret d Lüt Auge und Muul uf, und sind fascht uf de
Chopf gstande, si händ nämli ire Hüetibueb wool ghöört singe, aber kän Mäntsch
hed in chönne gsee. Wo n er dihäi aachonnt, stürmt de Vater zum Huus uus: “Ums
Gotts wille, Bueb, was häsch gmacht? chomm tifig i d Stube ine!“ De Vater und d
Mueter sind ganz us em Hüüsli gsy und händ nììd gwüsst wie tue, und de Bueb hed
nììd gmèrkt, as er unsichtbaar isch, bis es de Vater im gsäit hed. „Bisch am
Änd gar wider uf em Häxeplatz gsy, du Chätzersbueb?!“ hed de Vater gschumpfe.
Dò hed im de Bueb vo dem Vogelnäscht verzellt und wie s zuegange n isch. No
händ s in ghäisse, er söll das Stäinli füre mache. Do hed er s füre gmacht und
im Vater i d Hand gèè. – Aber, Jesses Maria, „Aetti wo bisch?“ hed sich do d
Mueter ersoorget. De Bueb isch wider zum gsee, defür isch de Vater verschwunde.
Im Vater aber isch es gsy, als wenn er e Taaschere i de Hand hebt, und i äim Schwung
rüert er das Stäinli uf de Tisch. - Iez isch de Tisch fort gsy. Jo
Gopverteckel! do chasch jò Lätzchöpfige wèèrde. De Vater isch uufgfaare, hed
nach dem Stäinli uf em Tisch glangt, finds, isch demit wie de Blitz zum Huus
uusgrännt und heds dusse im Hoof in Soodbrunne abegrüert. - Aber oha lätz, wie
das deet unde tue hed; s hed Blitzt und Kracht, me hèt chönne mäine Himmel und
Èèrde brächet usenand.
Nììd lang drufabe,
isch en faarende Schüeler choo und hed gsäit; wänn im äin das Stäinli hère
schaffe chönn, so wèll er im en Wöschtròòg voll Taler schänke.
Was gänd ììr mììr,
wänn ich s gang go hole?
Das schneeweisse Steinchen
Es war einmal
ein Hirtenbube, der musste alle Tage auf dem Berge Geissen und Schafe hüten.
Dabei konnte er singen wie ein Vogel und jodeln, dass man`s weit und breit im
Tal unten hörte. Eines Tages bekam er Durst und suchte lange auf der ganzen
Weide herum nach einem Trunk Wasser; endlich fand er unter einer hohen Tanne
ein Weierlein. Da kniete er nieder und schlürfte begierig das Wasser in den
trockenen Gaumen. Indess er aber also über das Weierlein gebeugt lag, sah er
unten im Wasserspiegel, dass auf der Tanne oben ein Vogelnest war. Nicht faul,
kletterte er wie ein Eichhörnchen den Baum auf und suchte und griff nach dem
Ast, den er im Wasser gesehen hatte; aber von einem Nest fand er nicht Staub
und nicht Flaub. Unverrichteter Dinge musste er wieder herabsteigen; als er
unten war, lugte er noch einmal in das Wasser, und siehe da! abermals sah er
das Nest ganz deutlich; was gibst was hast war er wieder oben im Baum, aber
auch diesmal konnte er das Nest nicht entdecken. Das trieb er so zum dritten
und vierten Mal. Endlich fiel es ihm ein, er wolle im Wasser alle Äste zählen
bis zum Neste hinauf. Gedacht, getan; und nun ging`s. Er kletterte und zählte richtig,
und als er bei dem rechten Ast angelangt war, griff er zu und hielt plötzlich
ein schneeweisses Steinchen in der Hand, und nun bekam er auch das Nest selber zu
sehen: Da ganz vorne auf dem Ast lag`s, dass er sich verwunderte, wie es ihm so
lange hatte entgehn können. Da ihm das schneeweisse Steinchen gefiel, steckte
er`s in die Tasche und stieg herunter.
Am Abend trieb er seine Geissen und Schafe heim und sang und jodelte dabei nach seiner Gewohnheit aus Herzenslust. Aber was geschah? Wie er in`s Dorf kam, sperrten die Leute Maul und Augen auf; denn sie hörten ihren Geissbuben wohl singen, aber kein Mensch sah ihn. Und als er vor seiner Eltern Haus kam, sprang der Vater heraus und rief: Ums Himmelswillen, Bub, Was hast du gemacht? Komm herein in die Stube.“ Vater und Mutter wussten vor Schrecken nicht, wo aus und an, und der Bube wusste nicht, dass er unsichtbar ist, bis es ihm der Vater sagte „Bist du etwa auf einem Hexenplatz gewesen?“ fragte der Vater. „Nein“ sagte der Bube und erzählte von dem Vogelnest, „Gib weidli das Steinchen heraus!“ riefen Vater und Mutter.
Da gab er es dem Vater in die Hand; aber was geschah? „Herr Jesis, Ätti wo
bist du?“ riefen die Mutter und der Bube. Denn jetzt war der Bube wieder sichtbar, aber der Vater war
dafür unsichtbar geworden. Dem war`s jedoch, als ob er eine Kröte in der Hand
hätte, und er warf das Steinchen auf den Tisch. Aber was geschah? Da sahen sie
den Tisch nicht mehr. Jetzt fuhr der Vater auf, tappte nach dem Tisch und
erwischte glücklich das Steinchen. Wie der Wind sprang er mit demselben aus dem
Haus und warf es mitten in den Sodbrunnen hinunter. Aber hei! wie das da
drunten blitzte und krachte, nicht anders, als wenn Himmel und Erde zusammen
stürzen müssten.
Was gibst du mir, wenn ich`s wieder hole?
Jürg Steigmeier
Quellen
Kinder- und
Hausmärchen Schweiz, Otto Sutermeister 1869 Nr. 35 / S. 113
Zürich, längerer
Schluss nach J. Stutz, sieben mal sieben Jahre S. 114
Eine weitere Version
findet sich unter „Der Stein im Vogelnest“, Schweizer Sagen, Sauerländer, S153
Vgl. 364. Der Rabenstein
Sagen aus Uri I, Josef Müller, S. 256: 1. I ihrem Näscht hennt-si ä Stei, und
der macht, dass mä niä keis Rappänäscht z`seh `kunnt; und wer ä so-nn-ä Stei
by-n-em het, isch äu unsichtbar. Jos. Maria Tresch, Silenen.
2. „Jä, das hennt der
Vatter und der Grossvatter ettlichs Mal g`seit, wem-mä-n-äso-nn-ä Rappästei
findä tät, sä chennt-mi-si unsichtbar machä. Daniel Imholz, 50 J. alt,
Unterschächen, dessen Grossvater Lehrer gewesen ist.
Variation aus dem
Schwarzwald: Wie man sich unsichtbar macht, Schwarzwald Sagen,
Alemannische Stammeskunde I, S. 176:
Wemmer e Ei vunere
Haselnussschäck (Elster) im Sack bi si trait, kommer si unsichtbar mache.
Die Ziesle (Zeisige)
und Grasmücken haben einen unsichtbar machenden Stein im Nest. Darum findet man
nie eines mit Eiern oder Jungen.
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