Das Mährchen von dem Mann und der Frau im Essigkrug
Es isch emòòl en Maa gsy und e Frau, die händ lang lang zäme imene
Essigchrueg gwont. Am Änd sind sie s läid worde und de Maa hed zue de Frau
gsäit: „Du bisch tschuld draa, ass mir in dem suure Essigchrueg läbe müend,
wèère mir nur nììd dòò!“ D Frau hed aber gsäit: „Näi, du bisch tschuld draa!“
Dernòò händ si aagfange mit enander zum chèère und sind enander i dem
Essigchrueg noch grännt.
Dòò isch äismòòl e goldigs Vögeli an de Essigchrueg choo, das hed gsäit:
„Was händelet ihr dänn so mit enander?“ – „Äi!“ hed d Frau gsäit, „mir sind s
Essigchrüegli läid und möchtet au emòòl wohne wie ander Lüt, dernòò welled mir
zfride sy!“ Do hed sie s goldig Vögeli us dem Essigchrueg use glòò, hed si ane
nigelnagelnöis Hüüsli gfüert, wo hinde draa es apartigs Gäärtli gsy isch, und
hed zue ne gsäit: „Das isch öie! lebet iez einig und zfride, und wänn er mi
bruuchet, so dörfet er nu drüü Mòòl in d Händ batsche und rüeffe:
„Goldvögeli im Sunnestraal!
Goldvögeli im Diamantsaal!
Goldvögeli überall!“
Wie si aber e paar Wuche i dem Hüüsli gwont händ, und emòòl in der
Nòòchberschaft so ume choo sind, händ si dòò chreftigi, groossi Puurehööf gsee,
mit groosse Ställ, Gäärte und Ächer und Gsind. Iez häds ne scho wider nümme
gfalle in irem winzige Hüüsli und si sind s ganz läid worde, und am-e schööne
Morge händ si alli zwöi fascht zur glyche Zit in d Händ gebatscht und grüefft:
„Goldvögeli im Sunnestraal!
Goldvögeli im Diamantsaal!
Goldvögeli überall!“
Und in äim Witsch isch s goldige Vögeli zum Fäischter herinn gefloge und
hed si gfròòget, was sie denn scho wider welled. „Ach!“ händ si gsäit, „dis
Hüüsli isch doch gar z chly. Wänn mer nu e so en groosse prächtige Puurehoof
hettet, no wottet mer zfride sy!“
S goldig Vögeli hed mit de Öigleni e bitzeli geblinzlet, hed aber nix
gsäit und hed si ane groosse prächtige Puurehoof gfüert, wo vil Ächer draa gsy
sind und Ställ mit Vee und Chnächt und Mägd, und hed ne alles gschänkt. De Maa
und d Frau sind vor Fröid i d Hööchi gumpet und händ sich fascht nümme kännt.
Iez sind si e ganz Jòòr lang zfride und fröölich gsy und händ sich gar nüüt
Bessers tänke chönne.
Aber länger heds au nììd tuuret, dänn wie si iez mängsmòòl in d Stadt
gfaare sind, händ si dòò die schööne groosse Hüüser, und die schööne geputzte
Herre und Madamme gsee spaziere gòò, dòò händs tänkt: I dere Stadt muess es
aber herrlich zue gòò und mer bruucht dòò nììd so vil schaffe; und d Frau hed
sich gar nììd chönne satt luege an dem Staat und hed zu irem Maa gsäit: „Mer
welled au in d Stadt! Gang, rüeff im goldige Vögeli, mir sind iez scho lang
gnueg uf em Hoof und Puurelüt!“ De Maa hed aber gsäit: „Frau, rüeff du ihm!“ Äntlich
hed d Frau drüü Mòòl in d Händ gebatscht und hed grüefft:
„Goldvögeli im Sunnestraal!
Goldvögeli im Diamantsaal!
Goldvögeli überall!“
Dòò isch s goldige Vögeli wider zum Fäischter herinn gefloge und hed gfròòget:
„Was welled er vo mir?“ „Ach!“ hed d Frau gsäit, „mer sind s Puureläbe läid,
mir möchtet au gern Stadtlüt sie und schööni Chläider haa und imene groosse
prächtige Huus wohne, no welled mer zfride si!“ S goldig Vögeli hed wider mit
de Öigleni geblinzlet, hed aber nix gsäit, und hed si in s schöönschte Huus i
de Stadt gfüert und i de Chäschte sind schööni Chläider ghänkt, uf die nöischt
Moode gnäit. Iez händ si gmäint, s git nix Bessers und nix Schööners uf der
ganze Wält und sind ganz us em Hüüsli gsy
vor luter Fröid.
S hed aber läider wider nììd
lang tuuret, so händ si gnueg ghaa und händ zue-n enander gsäit: „Wänn mir s nur
hettet wie d Edellüt wo in groosse Paläscht und Schlösser wonet! Das wèèr
erscht öppis rächts!“ Und d Frau hed gsäit: „Maa, iez isch s an dir s goldige
Vögeli zum rüeffe!” De Maa hed wider lang nììd welle; äntlich aber, wie d Frau
gar nììd no glòò hed mit stürme, hed er drüü Mòòl in d Händ gebatscht und hed
grüefft:
„Goldvögeli im Sunnestraal!
Goldvögeli im Diamantsaal!
Goldvögeli überall!“
Do isch s goldige Vögeli wider zum Fäischter herinn gefloge und hed gfròòget:
„Was welled er vo mir?“ Do hed der Maa gsäit: „Mir möchtet gern Edellüt si, no welled
mir zfride si!“ Do hed aber s goldig Vögeli gar arg mit de Öigleni geblinzlet und hed gsäit: „Ihr
unzfridne Lüt! Wèèred er nììd emòòl gnueg ha? Ich well öi au zue Edellüt mache, aber s isch
ich nììd guet!“ Und s hed ne glich es schööns Schloss gschänkt, Kutsche und
Ross und e rychi Bedienig. Iez sind si Edellüt gsy und sind all Taag spaziere
gfaare und händ a nix me tänkt, als wie si de Taag welled ume bringe in Fröide
und Nixtue.
Äismòòl sind si in d Hauptstadt gfaare für e grooss Fäscht go gsee, do
isch der Chönig und d Chönigin in ere ganz vergoldete Kutsche gsässe, in goldbestickte
Chläider und vorne und hinde und uf allne Site sind Marschäll, Hooflüt,
Edelchnaabe und Soldate gritte, und alli Lüt händ iri Hüet und d Naastüechli
gschwänkt, wo si verby gfaare sind. Wie häds do dem Maa und dere Frau
geduddelt. Chuum wie si häi choo sind, händ si gsäit: „Iez welled mer no Chönig
und Chönigin wèèrde! No welled mir aber halte!“ Do händ si wider alli zwöi mit
enander in d Händ gebatscht! und händ grüefft, was si nur händ rüeffe chönne:
„Goldvögeli im Sunnestraal!
Goldvögeli im Diamantsaal!
Goldvögeli überall!“
Do isch s goldige Vögeli wider zum Fäischter herinn gefloge und hed gfròòget:
„Was welled er vo mir?“ No händ si gsäit: “Mir möchtet gern Chönig und Chönigin sy, no
welled mer zfride si.“
Do hed aber s goldige Vögeli gar mit de Öigleni geblinzlet und
geblinzlet, hed d Fäderli gstruubet und mit de Flügel gschlaage und hed gsäit:
„Ihr wüeschte Lüt! Wänn wèèred ihr emòòl gnueg haa? Ich will öi au no zu Chönig
und Chönigin mache, aber dòò deby wird s jo doch nììd blybe, dänn ihr händ doch
nie gnueg!“
Iez sind sie au Chönig und Chönigin gsy und händ über s ganze Land
gregäntet und händ sich en groosse Hoofstaat ghalte, und iri Minischter und
Hooflüt händ als müesse uf Chnüü gòò, wänn si äis vo ine gsee händ und händ
nòòch und nòòch alli Beamte im ganze Land vor sich lo choo lòò und händ ne vom
Troon abe strängi Befeel gèè. Und was nur Tüür und Prächtigs in allne Länder
gsy isch, das hed müesse hère pròòcht wèèrde, ass es en Glanz und en Rychtum
gsy isch, wo nììd zum luege gsy isch.
Iez sind si aber doch nììd zfride gsy und händ als gsäit: „Mir welled no
öppis mee wèèrde!“ Do hed d Frau gsäit: „Wèèred mir Käiser und Käiserin!“ –
„Näi!“ hed der Maa gsäit, „mir welled Papscht werde!“ – „Das
isch nonig gnueg!“ hed d Frau grüefft, „mir welled lieber Herrgott sy!“
Chuum aber isch das Woort uusgsäit gsy, so isch en mächtige Sturmwind
choo, und en groosse schwaarze Vogel mit funklige Auge, wo wie Füürräder grollt
sind, isch zum Fäischter herinn gfloge und hed grüefft, ass alles zitteret hed:
„Das er versuuret im Essigchrueg!“
Und no isch alli Herrlichkeit verschwunde gsy, und der Maa isch wider
mit siner Frau im Essigchrueg gsässe. Und iez chönned si au dinn sitze blybe!
Jürg Steigmeier
Quelle
Aus der wahre Butt, Eugen Dietrichs Verlag 2. Aufl. 1978, S.87 elsässische Fassung.
Veröffentlicht von August Stöber in seinem „Volksbüchlein“ 1842
Das Mährchen von dem Mann und der Frau im Essigkrug
Es war einmal ein Mann und eine Frau, die wohnten lange Zeit miteinander
in einem Essigkrug. Am Ende wurden sie es leid, und der Mann sagte zu seiner
Frau: „Du bist schuld daran, dass wir in dem sauren Essigkrug leben müssen! Was
tun wir überhaupt auf der Welt!“ Die Frau erwiderte: „Nein, du bist schuld
daran!“ Und so fingen sie ernstlich zu streiten an und rannten, eins hinter dem
andern, im
Essigkrug herum.
Da flog ein goldenes Vögelchen an dem Essigkrug vorbei, das hörte das
Gezanke und fragte: „Was habt ihr denn miteinander?“ – „Ei“, sagte die Frau,
„wir sind das Essigkrüglein leid und möchten auch einmal wohnen wie andere
Leute. Dann wollen wir schon zufrieden sein!“
Da liess das goldene Vögelein die beiden aus dem Essigkrug heraus und
führte sie zu einem nagelneuen Häuschen mit einem kleinen Ziergarten und
sprach: „Das soll jetzt euch gehören. Lebt von nun an einträchtig und zufrieden
miteinander! Wenn ihr mich braucht, dürft ihr nur dreimal in die Hände
klatschen und rufen:
„Goldvögeli im Sunnestraal!
Goldvögeli im Diamantsaal!
Goldvögeli überall!“
Als sie ein paar Wochen in dem Häuschen gewohnt hatten und ein wenig in
der Nachbarschaft herumkamen, sahen sie grosse, schöne Bauernhöfe mit Ställen,
Wiesen und Äcker und zahlreichem Gesinde. Jetzt gefiel es ihnen schon wieder
nicht mehr in ihrem winzigen Häuslein. Sie wurden es leid, und an einem schönen
Morgen klatschten beide fast zur gleichen Zeit in die Hände und riefen:
„Goldvögeli im Sunnestraal!
Goldvögeli im Diamantsaal!
Goldvögeli überall!“
Sofort kam das goldene Vögelein zum Fenster hereingeflogen und fragte,
was sie denn schon wieder wollten. „Ach“, sagten sie, „das Häuschen ist doch
gar zu klein. Wenn wir nur auch so einen prächtigen Bauernhof hätten; dann
wollten wir gewiss zufrieden sein!“ Das goldene Vögelchen blinzelte ein wenig
mit den Äuglein, sagte aber nichts. Es führte die beiden zu einem grossen
Bauernhof, zu dem viele Äcker und Ställe mit Vieh und auch Knechte und Mägde
gehörten, und schenkte ihnen alles. Der Mann und die Frau sprangen vor Freude
in die Höhe und kannten sich nicht mehr vor Glück. Ein ganzes Jahr lang lebten
sie zufrieden und fröhlich miteinander und konnten sich gar nichts besseres
denken.
Doch länger als ein Jahr hielt`s nicht an. Denn kaum waren sie ein paar
Mal in die Stadt gefahren und hatten die schönen grossen Häuser und die fein
geputzten Damen und Herren spazieren gehen sehen, da dachten sie: In der Stadt muss
es herrlich zugehen, dort braucht an nicht so viel zu schaffen! Die
Frau konnte sich nicht satt sehen an dem Staat und dem Wohlleben, die hier
herrschten. „Wir wollen auch in die Stadt!“ sagte sie zu ihrem
Mann. „Ruf du dem goldenen Vögelchen. Wir sind jetzt schon lange genug auf dem Bauernhof!“
Der Mann aber sagte: „Frau, ruf du ihm!“ Da klatschte die Frau dreimal in die
Hände und rief:
„Goldvögeli im Sunnestraal!
Goldvögeli im Diamantsaal!
Goldvögeli überall!“
Gleich kam das goldene Vögelein
wieder zum Fenster hereingeflogen und fragte: „Was wollt ihr schon wieder von
mir?“ – „Ach“, antwortete die Frau, „wir haben vom Baurnleben genug. Wir
möchten auch gern Stadtleut sein und schöne Kleider haben und in einem vornehmen
Haus wohnen! Dann wollen wir zufrieden sein.“
Das goldene Vögelein blinzelte wieder mit den Äuglein, sagte aber
nichts, und führte die beiden in ein schönes Haus mitten in der Stadt. Nun
hingen in ihren Kästen schöne Kleider nach der neuesten Mode, und sie meinten,
es gebe nichts Herrlicheres und Besseres auf der Welt. Sie waren ganz ausser
sich vor Freude. Es dauerte nicht lange, da hatten sie auch das Stadtleben satt
und sagten zueinander: „Wenn wir`s nur so schön hätten wie die Edelleute! Die
wohnen in prächtigen Palästen und Schlössern, fahren in der Kutsche und hinter
ihnen stehen Diener mit goldenen Borten an Rock und Mütze. Das wäre erst etwas
Rechtes!“ – „Mann, jetzt ist`s an dir, dem goldenen Vögelein zu rufen!“ sagte
die Frau. Der Mann wollte lange nicht; weil aber die Frau nicht nachgab,
klatschte er dreimal in die Hände und rief:
„Goldvögeli im Sunnestraal!
Goldvögeli im Diamantsaal!
Goldvögeli überall!“
Sogleich kam das goldene Vögelchen zum Fenster hereingeflogen und
fragte: „Was wollt ihr schon wieder von mir haben?“ Da sagte der Mann: „Wir
möchten gern Edelleute sein, dann wären wir zufrieden!“ Da blinzelte aber das
goldene Vögelchen sehr mit den Äugelein und sagte: „Ihr unzufriedenen Leute!
Werdet ihr auch einmal genug haben? Ich will euch zu Edelleuten machen; doch es
ist nicht gut für euch!“ Es schenkte ihnen ein schönes Schloss, eine Kutsche
und Pferde und eine grosse Dienerschaft dazu. Jetzt waren die beiden also
Edelleute, fuhren alle Tage in der Kutsche spazieren und dachten an Nichts
mehr, als wie sie die Zeit herumbringen können in Freude und Nichtstun.
Einmal fuhren sie in die
Hauptstadt, wo gerade ein grosses Fest abgehalten wurde. Dabei durften sie doch
nicht fehlen! War das ein Leben und buntes Gewoge! Der König und die Königin
fuhren in Goldgestickten Kleidern in einer vergoldeten Kutsche durch die
Strassen. Vor und hinter der Kutsche und zu beiden Seiten ritten Marschälle,
Hofleute, Edelknaben und Soldaten, und alles Volk schwenkte Hüte und
Taschentücher vor Begeisterung. Das gefiel dem Mann und seiner Frau über die
Massen. Kaum waren sie wieder daheim in ihrem Schloss, sagten sie: „Jetzt
wollen wir noch König und Königin
Werden und darnach für immer
zufrieden sein!“ Sie klatschten beide zugleich in die Hände und riefen:
„Goldvögeli im Sunnestraal!
Goldvögeli im Diamantsaal!
Goldvögeli überall!“
Gleich kam das goldene Vögelein zum Fenster hereingeflogen und fragte:
„Was wollt ihr nun wieder
Von mir?“ – „Wir möchten gern König und Königin sein, dann wären wir
zufrieden!“
Da blinzelte das goldene Vögelchen böse mit den Äugelein, sträubte seine
Federchen, schlug mit den Flügeln und sagte: „Ihr unverschämten Leute! Wann
werdet ihr endlich einmal genug haben? Ich will euch auch noch zu König und
Königin machen; leider wird`s aber auch dabei nicht bleiben, denn ihr bekommt
ja doch nie genug!“ Jetzt waren sie also König und Königin und hatten über das
ganze Land zu gebieten. Sie hielten sich einen grossen Hofstaat und alle
Minister und Hofleute mussten vor ihnen auf die Knie fallen. Die Beamten des
Reiches mussten vor ihrem Thron erscheinen und strenge Befehle
entgegennehmen. Was es nur an Teurem und Prächtigem in der weiten Welt
umher gab, mussten für sie herbeigeschafft werden. Es ist gar nicht zu sagen,
in welchem Glanz und Reichtum die beiden lebten.
Doch sie waren immer noch nicht zufrieden und sagten: „Wir wollen noch
etwas mehr werden!“ Wenn wir doch Kaiser und Kaiserin wären!“ meinte die Frau.
„Nein!“ antwortete der Mann. „Wir wollen Papst werden!“ – „Das ist noch nicht
genug!“ rief die Frau in ihrem Übermut, „wir wollen lieber Herrgott sein!“
Kaum hatte sie das letzte Wort ausgesprochen, brach ein Sturmwind los
und ein mächtiger schwarzer Vogel mit funkelnden Augen flog zum Fenster herein
und rief so laut, dass das ganze Schloss bebte:
„Dass ihr beide
versauern mögt im Essigkrug!“
Da war im Augenblick alle Herrlichkeit verschwunden; der Mann sass mit
seiner Frau wieder im Essigkrug, und darin können sie jetzt für alle Ewigkeit
sitzen bleiben!
Aus der wahre Butt, Eugen Dietrichs Verlag 2. Aufl. 1978, S.87 elsässische Fassung.
Veröffentlicht von August Stöber in seinem „Volksbüchlein“ 1842
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