Freitag, 26. Juni 2020

Der Schlangenkuss



Das lumen naturae, das natürliche Licht = die Erkenntnis aus der Natur


Es ist im Inneren des Menschen zu finden. Jung nennt es das absolute Wissen des kollektiven Unbewussten. 
Das vom Bewusstsein losgelöste Wissen des Unbewussten, ist in vielen Sagen der Schatz, den die Schlange hütet, oder die Krone, die sie trägt und wohlwollenden Menschen schenkt.


Das küssen der Schlange ist das Ja-sagen zum Geist der Natur, das Akzeptieren der Lenkung durch das absolute Wissen des kollektiven Unbewussten. 


Aber der Schlangenkuss ist eine einsame Tat, denn die Individuation ist eben ein einsamer Weg. Was für den einen stimmt, ist für den anderen katastrophal falsch. Er ist das kostbare Geheimnis des Einzelnen.


Wenn es an einem Ort spukt, ist das ein Zeichen, dass da ein Schatz vergraben ist (Paracelsus)


Psychologisch gesehen heisst das: wenn es mir nirgends mehr wohl ist, wenn ich unruhig und gehetzt bin, neurotische Symptome oder auch Gesichte habe, wartet ein Schatz darauf gehoben zu werden, das heisst ein wichtiger Inhalt des Unbewussten will bewusst werden. 


Paracelsus schreibt:

je ungestümer und ungeheurer es an solchen Orten ist und je mehr sich Gespenster da hören oder sehen lassen, je grösser der Schatz ist und je höher er in der Erde vergraben liegt. 


Hugo von Trimberg (1230-1313) schreibt in seinem Erziehungsbuch, dass alle ungehobenen Schätze dereinst dem Antichrist gehören.


Soll heissen;  
alles im kollektiven Unbewussten, was dringend bewusstgemacht werden sollte, aber nicht bewusstgemacht wird, verstärkt die gefährliche Gegensatzspannung unserer Zeit. Umgekehrt vermindert jeder die ungeheure Spannung in der Welt, der die Bewusstwerdungsaufgabe ernst nimmt. 

Auszug aus lumen naturae 
Zum religiösen Sinn von Alpensagen
Vorträge und Aufsätze
Gotthilf Isler 
2000 Verlag Stiftung für Jung`sche Psychologie, Küsnacht ZH

Donnerstag, 4. Juni 2020

Ist die Sage noch zeitgemäss?


Ich finde ja, zeigt sie doch auf worin unsere Verantwortung im Guten wie im Bösen gegenüber Mitmensch und Umwelt liegt. Sie zeigt aber auch seit jeher und bis auf den heutigen Tag auf, wohin unser Machtmisbrauch (der Frevel) uns führt, nähmlich in unser Verderben. Handlung gleich Reaktion, es ist eine weitreichende Fehlmeinung, zu glauben, dass wir ausserhalb der allumfassenden Gesetzmässigkeiten stehen. Wir haben unserer Mitwelt gegenüber eine grosse Verantwortung, derer sich keiner entziehen kann.
Siegfried Beyschlag schrieb dazu in seinem Aufsatz über das Weltbild in der Sage:
In diesem Vostellungskreis (der Sagenwelt) hält der Mensch nun völlig Fluch und Segen für die Geisterwelt ( und auch der Welt als Ganzes) in seiner Hand; fast souverän kann er über sie Heil und Unheil verhängen. Er ist nun nicht mehr nur Teil in der Ganzheit () er ist jetzt Schlüsselherr, tragende, schicksalshafte Mitte der Welt geworden() 
Diese Stellung des Menschen ist aber auch Verpflichtung.() - es ist zugleich sittliche Schuld: das Gelingen ist möglich, das Versagen ist Schwachwerden. 
Er soll bei Gelegenheit von seiner ihm gegebenen Erlöserkraft Gebrauch machen. Das ist geglaubte Wirklichkeit.
Solche Erlösungspflicht erhöt noch die tragende Mittelstellung des Menschen; er ist nicht nur tatsächliche, sondern auch sittlich verantwortliche Mitte der Welt.

Quelle
Vergleichende Sagenforschung, Herausgegeben von Leander Petzoldt, 1969, Aufsatz von Siegfried Beyschlag, Weltbild der Sage, S.189

Mittwoch, 27. Mai 2020

Gewinner des Wettbewerbs

So ihr Lieben
Die Glücksfee hat die Gewinner des Ausmalwettbewerb gezogen. 🍀🐞
Mit dabei am großen Finale der Klapperlapapptournee ( 5. oder 6. September 2020) in Wildegg sind zusammen mit ihren Familien:
🥳🐞🐞🐞🥳
 

Malena Bucher, Zürich
Jeannine Solenthaler, Chur
Arek Oslislok, Bad Zurzach 

 
🥳

Sollte das Finale wegen Corona nicht stattfinden lassen wir uns was anderes einfallen. 🍀🍀🍀🐞🍀🍀🍀🍀😘
Ich freu mich euch kennen zu lernen. 😘

Freitag, 8. Mai 2020

Der Ahornbaum.


De Beerima isch zuenis cho
Er hät is alli Beeri gno
Er hät is Beeri g stohle:
`s Schüsseli leer un `s Beckeli leer,
alles zäme leer.
Ich wött i wär im Himmel
Und du im Paradies,
I wött, i hätt en Schimmel
Und du de Chopf voll Lüs!

Hochsal / Altschwanden ähnlich auch in Herrischried nach Badische Heimat Hochrhein und Hotzenwald, S. 240


Der Ahornbaum.

Es isch äinisch en König gsy und de hed drüü Mäitli ghaa. Äis Taags hed er ine gsäit, si sölle im Holz i d Eppeeri gòò und daa wo s Beckeli zeerscht voll hed, da bechömm es nöis Chläid. Do händ sich alli drüü uf de Wèèg gmacht, iedes mit sim Beckeli i de Hand. Di Jüngscht isch die vigelantischt gsy, und ires Beckeli gly Schlegel a Wegge voll. Di andere händs ire vergöischtigt, as si s Beckeli zeerscht voll ghaa hed. Do rüefft die Ältischt i irem Chyb de Jüngschte, ass si ire wott d Hòòr luuse und schloot ire gschnell de Chopf ab. De abgschlagnig Chopf aber, hed si imene Loch verscharret und Hèèrd drüber deckt. Dänn hed si mit de Mittlere d Eppeeri täilt, as iri Beckeli poorzet platschvoll devoo gsy sind und sind dänn zäme häi gange.
De König hed gfròògt wo die Jüngschti blibe n isch, und do händs gsäit, si hebet si im Holz usse äismòòl us de Auge verloore, si hebet überall gsuecht aber si sei nümme ume gsy und do hed de König nümme witer gfròògt.

Deet aber wo si de Chopf vo de Jüngscht vergraabe händ, isch en schööne Ahornbaum gwachse.

Do isch äis nach mängem, mängem Jòòr en Bättler a de Ort choo. Gseet de Baum, haut ne um  und macht e Gyge druus. Wo n er aber uf ire gyge tuet, hed d Gyge gar truurig aafòò singe:

„Ich bin e Chönigstochter
aber iez bin i us Ahorn.“
E chlyni Gyge.“

Do gòòt de Bättler vor s Königs Huus und fangt aa gyge und si händ en uf s Schloss gholt und wie de König d Gyge i d Hand nimmt, hed d Gyge töönt:

„spil, spil liebe Vater.
Ich bin e Chönigstochter
aber iez bin i us Ahorn.“
E chlyni Gyge.“

Do hed de König d Gyge de Mittlere gèè, und d Gyge hed töönt:

„Spil, spil liebi Schwöschter,
ich bin e Chönigstochter,
aber iez bin i us Ahorn,
e chlyni Gyge.“

Do hed si d Gyge de Ältischte gèè, aber si hed si nììd welle, hed si z letscht aber glych gnòò und do hed d Gyge töönt:

„Spil, spil du min Mörder,
ich bin e Chönigstochter,
aber iez bin i us Ahorn,
e chlyni Gyge.“

Do isch di Ältischt so gopvergässe verschrocke, as si d Gyge mit eme Göiss lo gheie lòò hed. Gyge schlòòt am Tischbäi aa, bricht abenand und di Jüngscht Königstochter chräsmet use und stòòt wider do. Was hed sich de König gfröit, er hed si umarmt und verschmützlet und im Bättler e Hampfle Goldvreeneli gèè. Dänn händ s die Ältischt Chönigstochter in es Nagelfass tue, händ de Teckel vernaglet und händ s Fass vom hööchschte Bèèrg lo troole lòò.
Und das isch s Änd vo ire und dere Gschìcht gsy.  
 


Der Ahornbaum.

Es war einmal ein König, der hatte drei Töchter. Einmal sagte er ihnen, sie sollten ins Gehölz gehen und Erdbeeren pflücken. Welche zuerst ihren Topf voll habe, die bekomme ein neues Kleid. So machten sie sich zu dritt auf den Weg, und ihrer jede trug einen Topf. Die jüngste machte am hurtigsten, und ihr Topf war zu allererst voll. Jene waren voller Neid, dass sie ihn zuerst gefüllt hatte. Da sagte die älteste zur mittelsten, dass sie den Kopf der jüngsten absuchen wolle, und dann wolle sie ihr den Hals abschneiden. Die mittelste wollte erst nicht darauf eingehen; dann ging sie aber doch darauf ein. Da rief sie dem Kind, dass sie ihm den Kopf absuchen werde, und dann schnitt sie ihm den Kopf ab. Sie machten eine Grube, darin begruben sie es; dann teilten sie die Erdbeeren, füllten die Töpfe ganz damit und gingen heim.
Der König fragte, wo seine jüngste Tochter sei; sie sagten, das wüssten sie nicht, irgendwo im Wald sei sie verschollen, sie hätten sie gesucht, aber nicht gefunden.
Aber dort, wo sie sie eingegraben hatten, wuchs ein schöner Ahornbaum empor. Dahin ging ein Bettler, schnitt ihn ab und machte eine Fiedel daraus. Als er sie dann probierte, tönte sie also:
"Ich war eines Königs Tochter,
Aber jetzt bin ich aus Ahorn
Ein klein Geiglein."
Da ging der Bettler vor des Königs Fenster und geigte dort. Sie hörten ihn und riefen den Bettler hinauf. Wie der König die Geige zur Hand nahm, tönte sie bei ihm also:
"Geige, geige, lieber Vater,
Ich war einst auch deine Tochter,
Aber jetzt bin ich aus Ahorn
Ein klein Geiglein."
Darauf gab er sie seiner mittelsten Tochter, und bei ihr tönte sie also:
"Geige, geige, liebe Schwester,
Ich war eines Königs Tochter,
Aber jetzt bin ich aus Ahorn
Ein klein Geiglein."
Da gaben sie die Geige der ältesten; aber die wollte sie nicht in die Hand nehmen; schliesslich willigte sie ein, und bei ihr tönte sie also:
"Geige, geige, du mein Mörder,
Ich war eines Königs Tochter,
Aber jetzt bin ich aus Ahorn
Ein klein Geiglein."
Da erschrak das Mädchen sehr, und in ihrem Schrecken liess sie die Geige fallen. Die Geige stiess an das Tischbein; dort zerbrach sie. Wie sie zerbrach, siehe, da sprang die Königstochter aus ihr hervor. Nun war grosse Freude beim König; er umarmte und küsste seine liebe Tochter, und dem Bettler gab er eine gute Handvoll Goldstücke. Dann nagelten sie ein Fass aus; da hinein steckten sie die älteste Tochter, legten es oben auf einen Berg und liessen es von dort hinabrollen; so ist sie gestorben.

Quelle: Elisabet Sklarek, Ungarische Volksmärchen, Leipzig 1901, Nr. 21