Donnerstag, 4. Juni 2020

Ist die Sage noch zeitgemäss?


Ich finde ja, zeigt sie doch auf worin unsere Verantwortung im Guten wie im Bösen gegenüber Mitmensch und Umwelt liegt. Sie zeigt aber auch seit jeher und bis auf den heutigen Tag auf, wohin unser Machtmisbrauch (der Frevel) uns führt, nähmlich in unser Verderben. Handlung gleich Reaktion, es ist eine weitreichende Fehlmeinung, zu glauben, dass wir ausserhalb der allumfassenden Gesetzmässigkeiten stehen. Wir haben unserer Mitwelt gegenüber eine grosse Verantwortung, derer sich keiner entziehen kann.
Siegfried Beyschlag schrieb dazu in seinem Aufsatz über das Weltbild in der Sage:
In diesem Vostellungskreis (der Sagenwelt) hält der Mensch nun völlig Fluch und Segen für die Geisterwelt ( und auch der Welt als Ganzes) in seiner Hand; fast souverän kann er über sie Heil und Unheil verhängen. Er ist nun nicht mehr nur Teil in der Ganzheit () er ist jetzt Schlüsselherr, tragende, schicksalshafte Mitte der Welt geworden() 
Diese Stellung des Menschen ist aber auch Verpflichtung.() - es ist zugleich sittliche Schuld: das Gelingen ist möglich, das Versagen ist Schwachwerden. 
Er soll bei Gelegenheit von seiner ihm gegebenen Erlöserkraft Gebrauch machen. Das ist geglaubte Wirklichkeit.
Solche Erlösungspflicht erhöt noch die tragende Mittelstellung des Menschen; er ist nicht nur tatsächliche, sondern auch sittlich verantwortliche Mitte der Welt.

Quelle
Vergleichende Sagenforschung, Herausgegeben von Leander Petzoldt, 1969, Aufsatz von Siegfried Beyschlag, Weltbild der Sage, S.189

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