Das Leben am seidenen Faden
Do sind emòòl zwöi
Puuremäitli zäme uf em Acher am Summerfrucht schnyde gsy, wo die Äint vo ine,
Bürgi hed si ghäisse, äismòòl en fäisse, schwummige Chrott i de Acherfurre
gseet: „Du, Ursi,“ hed sie grüefft, „Iez lueg emòòl de grooss, fäiss Chrott dòò!
Söll ich im äis mit de Sichle gèè?“ „Näi, bhüet is Gott, Bürgi“, hed d Ursi
grüefft, „lueg nume wie dick und schwummig de isch, gseesch nììd, wie s um de
bstellt isch, de chund gly es Chind über und wird öis welle als Gvatterlüt zur Tauffi
ylaade.“ Und wie s so schwätzet und iri Späss mached, isch de Chrott wider im
Acher verschwunde gsy und die beide Puuremäitli händ sich wider a d Aarbet
gmacht.
Es paar Taag spööter sind
die beide Mäitli Dihäi i de Chuchi am schaffe gsy, wo uf äinisch e chlyses
Mannli vor ine stòòt. En bruune Tschoope heds aaghaa und en Huet mit eme bräite
Rand. Es hed sich früntlich verbüügt und ine en Brief ane ghebt. I dem isch
gstande, ass si zur Chindstauffi bi de Unterirdische Lüt yglaade sind. Im
glyche Momänt hed s Mannli ine gsäit: „ Dòò unter öiem Füürhèèrd isch es Loch,
daas wird sich am nööchschte Sunntig uuftue und dur daas müend ihr dure styge,“
und wo s fertig gredet ghaa hed, isch s verschwunde, weiss nììd wohìì.
Die zwöi Mäitli sind scho
chly verschrocke, wo si mit dem Brief a ires Verspräche gmaaned worde sind, wo
sie im Chrott uf dem Acher gèè händ. Aber alles Jommere hed nüüt gnützt, de Sunntig
isch choo, und wo s Zwölfi schlòòt, hed sich e Tüür unter em Füürhèèrd uuftòò. Die
beide Mäitli sind dure gstige und sind grad uf de andere Site vo dem bruune
Mannli erwaartet woorde. Mit dem sind sie e langi, langi Stääge abegange, immer
tüüffer und tüüffer i d Eerde ine, bis sie äntlich uf e helli Wise choo sind.
Uf dere sind en huuffe chlyni Hüüsli gstande und jedes Hüüsli isch wie us Glaas
gmacht gsy und vo äinere Huuswand zu de andere isch alles durchsichtig gsy und
d Liechtli, wo dinn prännt händ, händ sogar zum
Dach uusglüüchtet.
I so n es Hüüsli sind s vo
dem Hèèrdmandli ine gfüert worde. Drin isch es bläichs Hèèrdwybli im Bett
glääge und dernäbet es nöi geboornigs Zwèèrgechind.
Imene lange Zug vo luter
bruune Hèèrdlütli sind die beide Puuremäitli mit dem Chindli voruus in e hell
lüüchtigi Kristallchile zoge und händ deet das Zwèèrgechind taufft. Druufabe
sind s zum Tauffmööli yglaade worde und all händs Platz gnòò, an en groosse
Tisch. Die beide Mäitli aber händ müesse näbet de Zwèèrgemueter sitze, und dòò
händ si sich s dänn au rächt guet lo
schmöcke lòò.
Wie si jetzt aber e Wyl so
dòòghockt sind, hed Bürgi zuefällig a d
Tili ue glueget und isch nììd wenig verschrocke, graad über ihrem Chopf, isch
am e sidige Fade, en Mülistäi bhanget. I äim Satz hed sie welle uuf und devoo
ränne, aber d Zwèèrgemueter hed si am Rockzipfel ghebt und hed gsäit: „Muesch e
käi Angst haa, s passiert dir nüüt! Aber gseesch iez, wo du mich uf em Acher
häsch welle mit diner Sichle tööte, isch mis Läbe au am e sidige Fade bhanget
und so bhanget iez au dis Läbe am sidige Fade; aber well du mir mis Läbe glòò
häsch, so lòò n ich dir dis Läbe au, und de Mülistäi söll dich nììd tööte.“
Wo jetzt das Tauffässe z Änd
gsy isch und sich die zwei Puuremäitli händ welle uf de Häiwèèg
mache, hed sich d Zwèèrgemueter
bì ine bedankt, und hed e jedere e Hämpfeli Strau us irem
Strausack zoge und hed ine
gròòte, nume rächt Soorg zue dem Gschänk z haa. Druuf sind si vo dem bruune
Mannli wieder die prächtig Stääge duruuf i iri Chuchi pròòcht worde.
Wo si aber dobe i de Chuchi
sind, nimmt Bürgi ires Hämpfeli Strau, rüert s
is Füür und säit:
„Guet Nacht am Sächsi. Aso wänn
die Hèèrdlütli zur Tauffi nüüt besser z schänke wüsset, so chönnt si da Strau
au grad phalte.“ D Ursi aber hed, wie s d Zwèèrgemueter ine gròòte hed, ires
Strau süüferli i irem Tischtruckli versoorgt.
Wie iez die zwöi drufabe ire
schöne Chläider wider abziend, isch de Bürgi äismòòl öppis uf de Chuchibode
gheit, und wie si nòòlueget find si uf em Bode es löötigs, luuters Goldstückli.
„Das isch gwüss s Strau vo de Zwèèrgemueter“, hed d Ursi gsäit, isch gschnell
zu irem Tischtruckli grännt und wo si d Schublaade uufspeert, hed si drininne
en groosse Schatz gfunde.
E dèèwèèg isch us dere arme
Magd uf äinisch e rychs Mäitli worde, und es hed ghüròòtet und irer Läbtig lang
käi Noot me müesse lyde; d Bürgi aber hed chönne am lèère Tuume suuge.
Jürg Steigmeier
Quellen:
Das Leben am seidenen Faden,
Deutsche Märchen seit Grimm, Diederichs, Jena 1919
Die Erdleute bei Oberhof,
Schweizersagen aus dem Aargau, Edition Olms, E. L. Rochholz S. 268
Das Leben am seidenen Faden
Zwei Schnittermädchen waren
in der Ernte zusammen in den Feldern. Plötzlich schrie das eine: Ursi (Ursula),
schau diese mächtig grosse Kröte! Soll ich ihr eines mit der Sichel geben?
Nein, Bürgi (Walburg), rief die andere Schnitterin, bei Leib nicht! Schau nur
diese Dicke und Gedunsenheit; merkst du doch selbst, wie es um den Wust da
steht, er wird uns zu Gevatter bitten wollen. Inzwischen schien die Kröte
weggekrochen zu sein und die beiden Mädchen schnitten weiter.
Eines Tages, nicht lange
danach, waren die Mädchen beim Aufwaschen in der Küche, da stand auf einmal ein
kleines Männchen bei ihnen, das trug einen braunen Rock und einen Hut mit einer
breiten Krempe; es verneigte sich freundlich und gab ihnen einen Gevatterbrief,
in welchem sie zur Kindtaufe bei den Unterirdischen eingeladen wurden; zugleich
sagte es ihnen, hier unter dem Feuerherde sei eine Öffnung, die würde sich am
nächsten Sonntag auftun, da sollten sie nur hinuntersteigen; und als es das
gesagt hatte, war es verschwunden. Die beiden Mädchen erschraken nicht wenig, als sie von
dem Männchen solcher Art an ihr Versprechen erinnert wurden; da haben sie wieder einmal ihr Maul gebraucht und
wussten nicht gegen wen.
So kam denn der Sonntag
heran, und als es zwölf schlug, öffnete sich eine Tür unter dem Feuerherd, die
beiden Mädchen traten hinein und wurden sogleich von dem braunen Männchen
empfangen, mit dem sie eine prächtige breite Treppe hinabstiegen. Endlich
gelangten sie auf eine weite helle Wiesen-Ebene, auf der eine ganze Menge
überaus zierlicher Häuser stand. Ein jedes schien ganz aus Glas, denn von einer
Hauswand zur andern war alles durchsichtig, und die Lichtlein, die drinnen brannten,
leuchteten selbst durch das Dach heraus. In ein solches Häuschen führte sie der
Begleiter.
Hier lag ein sehr blasses Erdweibchen im Bett und hatte
neben sich ein neugeborenes Kind.
Dieses gab man den
Bauernmädchen auf den Arm und sie musste es einem langen Zug von lauter Erdmännchen
voran auf der Stelle aus dem Haus tragen. Ihr früherer Führer wies sie in eine ebenso
glänzend erhellte Kristallkirche hinein, um die Kindstaufe zu halten.
Darauf ging man zum Mahle,
und alle nahmen
an der reich besetzten Tafel Platz, die beiden Mädchen mussten sich neben die Wöchnerin
setzen, und da ließen sie sich`s denn auch recht gut schmecken. Als sie eine
Weile so gesessen hatten, schlug die Älteste von ungefähr die Augen auf und
bekam einen kleinen Schrecken, als sie
gerade über ihrem Kopfe einen Mühlstein an einem seidenen Faden hängen sah. Da sprang sie
auf und wollte weglaufen, die Wöchnerin aber hiess sie wieder niedersitzen und
sagte: „Fürchte dich nicht, dir soll kein Leid geschehen! Sieh, als du mich
neulich im Feld mit der Sichel töten wolltest, da hing mein Leben an einem
seidenen Faden, und so hängt auch das deine jetzt daran; aber da du mir das
Leben gelassen hast, so soll dir jetzt ein gleiches geschehen, und der
Mühlstein soll dich nicht töten!“
Als nun das Mahl zu Ende war
und die beiden Mädchen von den Unterirdischen Abschied nahmen, zog die
Wöchnerin eine handvoll Strohhalme aus ihrem Strohsacke heraus, und bot sie
ihren neuen Gevatterinnen zum Andenken und sagte, die sollten sie sorgsam
bewahren. Darauf gingen sie, und das braune Männchen brachte sie dieselbe prächtige
Treppe wieder hinauf, auf der sie hinabgestiegen waren.
Als sie aber oben in der
Küche waren, warf die Älteste sogleich die empfangenen Strohhalme ins Feuer, indem sie sagte:
„Wenn mir die Unterirdischen kein besseres Andenken von ihrer Kindtaufe geben wollen, so hätten sie`s nur
gleich behalten sollen!“ Die andere erwiderte: „Sie haben uns doch
gesagt, wir sollen sie bewahren; wer weiss wozu es gut ist“, ging zu ihrer Lade
und schüttete dort das Stroh aus.
Als beide darauf ihren
Kindstaufsputz ablegten, fiel auf einmal der Ältesten etwas klingend zur Erde; sie
sah zu und fand ein blankes Goldstück. „Das sind die Strohhalme“, sagte die
Jüngste, ging schnell zu ihrer Lade und fand einen grossen Schatz; da war auf
einmal aus einer armen Magd ein reiches Mädchen geworden, und hat gefreit und
ihr Leben lang
keine Not gehabt; die Älteste aber hat es nie zu etwas Rechtem bringen können
und musste von dem leben, was ihre Schwester ihr zukommen liess.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen