Sonntag, 3. Mai 2020

Der Wanderbursche auf der Tanne


Der Wanderbursche auf der Tanne


Zwöi Wanderpùùrschte sind äinisch en ganze Taag lang mitenand über Land zoge und sind doch a käim Doorf verby choo; und wo s do aafangt ynachte, händs im Wald usse müesse schlòòffe. Der Äinti, mer säget im do Hans, chräsmet uf e Tanne ue und säilet sich am Baum aa, as er im Schlòòf nììd abe gheit; de Ander hed sich hinder de Tanne i d Stuude gschlaage.
Phünktli znacht am zwölfi chonnt dur d Luft e Schääelir Häxe zu dem Tannebaum anegfaare und haltet Häxetanz . Und  wo s gnueg tanzet ghaa händ, sind s under de Baum aneghocket und händ zäme ggässe und trunke und gschnäderet und pralöögget, wi si d Chönigstochter chrank verhäxt händ, und äini hed gsäit: „Esoo lang niemert de Schimel metzget, wo käi grau Hòòr am Fääli hed, und nììd d Chönigstochter i di früschi Rosshut ytrüllet, esoo lang cha si kän Mäntsch me gsund mache.“ Und wo si gnueg ggässe und gschnäderet händ, sind s alls zäme wider mit em Wind devoo gfaare.
De Pùùrscht, wo dernäbe i de Stuude glääge n isch, hed so tüüf gschlòòffe, as er vo dem Krach
nììd vertwachet; aber de Hans, wo uf de Tanne obe ghockt isch, de isch hèèluuf und wach gsy und hed sich das Gschwätz vo dem Häxevolch Woort für Woort gmèrkt. Wo s aagfange hed mit Taage, isch er ab em Baum gchläderet, hed sin Räisekameraad gweckt und im do prichtet wa n er i de Nacht vernòò hed. Sin Kameraad aber hed im nììd glaubt, hed in uusglacht und isch, wo de Wald äntlich uufhöört, eläige witers zoge.
De Hans aber isch uf direkte Wèèg uf s Schloss gange und hed im König die Tokterruschtig verròòtet für sini chrank Tochter. De König hed im Augeblick de Chnächt uf d Wise gschìckt, hed de Schimel wo käi grau Hòòr im Fääli hed lo fange und metzge lòò, trüllt d Prinzässin i di früschi Rosshut ine; und vo Stund aa isch d Prinzässin wider zwèèg gsy.
Do isch es Fäscht gsy im Königrych; im ganze Land händs d Lüt umenangschwätzt, vom Wanderpùùrscht und wie s zuegange n isch; zum Dank hed de Hans für immer uf em Schloss dörfe blybe, und si händ im chüüderlet als wèèr er äin us de Königsfamilie.
Wo sin Räisekameraad uf allne Stròòsse d Lüt vo dere Gschìcht ghöört hed rede, hèts in iez natürlich gèrgeret, as er nììd mit uf s Schloss gange n isch. Aber er hed sich nììd lang gcholderet. Nüüt hed in äifacher tunkt, wi im König graad sälber esoo e gueti Nachricht z bringe. Er also zrugg in Wald gange und nach dem Tannebaum gsuecht, wo doozmòòl sin Kameraad drufobe ghockt isch; er chläderet ue und wartet uf d Nacht und de Häxeumzùùg.
Und wider hed de Tanz phünktli  win e Uur znacht am zwölfi under dem Tannebaum aagfange, und d Häxe händ gschwätzt und gmööget, as di chrank Königstochter wider gsund isch, sid ine äin mit groosse Oore vo de Tanne obenabe zueglost hed; Und Äini hed ufs Mòòl grüefft: „Dòò hockt jò de Ander uf de Tanne!“ Do sind d Hexe uegchläderet und händ in i tuusig Fätze
verrisse.
Und am nööchste Morge?
Dò isch nomòòl äini uf s Schloss choo. Wèèr as das gsy isch wäiss hüt allwèèg niemert me, si hed nach em Hans verlangt; si müess im öppis us de Häimet  prichte. Si hed im dò alles gsäit, was im Wald bi de Tanne gschee isch. De König aber hed di säbe Häxe lo fange lòò und hed si in Turm gspeert, und wänn si niemert frei glòò hed, sind s drininne worschyndli versuuret.
De Hans aber hed er d Prinzässin zur Frau bechoo und no händ s Hoochsig ghaa und händ ggässe und trunke und i dem Augemänt wo n ich öi die Geschichte verzell, sind s worschyndli immer no draa.

Jürg Steigmeier
Quellen
Kinder- und Hausmärchen aus der Schweiz, O. Sutermeister 1869, Aargau nach handschriftlicher Mitteilung von E. L. Rochholz


Siehe auch Vo re Chünigstochter, Sagen aus Rohrbach, M. Sooder, S.23



Der Wanderbursche

Zwei Wanderbursche waren schon einen ganzen Tag miteinander gelaufen und hatten noch kein Dorf erreicht; da blieb ihnen keine andere Wahl, als im Walde zu übernachten. Der Eine erkletterte eine Tanne und band sich mit seinem Strumpfbändel zum Schlafe fest; Der Andere legte sich dahinter in`s Gestäude.
Um Mitternacht kam aber eine Schaar Hexen zum Baum gefahren und hielten ihren Tanz. Und als sie hernach noch einen Schmaus abhielten, erzählten und schwatzten sie, wie sie die Königstochter gezaubert hätten, und Eine sagte: „So lange man nicht den Schimmel schlachtet, an dem kein graues ist, und nicht die Königstochter in die frische Rosshaut einschlägt, kann sie kein Mensch mehr gesund
machen.“ Hierauf, als sie sich satt gegessen und geplaudert hatten, fuhren alle wieder davon.
Der Bursche, der nebenan in den Stauden lag, schlief so fest, dass er von alle dem nicht erweckt wurde; dagegen Der auf der Tanne droben war wach und hatte sich die Worte der Hexen genau gemerkt. Als es anfing zu tagen, Stieg er vom Baum herunter, weckte seinen Kameraden und forderte ihn auf, mit ihm sogleich dem Königsschlosse zuzugehen, um diese Neuigkeit dort zu melden. Dieser aber glaubte von Allem nichts, lachte ihn aus und zog, als der Wald zu Ende war, allein seiner Wege. Der Andere dagegen ging in`s Schloss und verriet da dem König das Heilmittel für seine kranke Tochter. Man sendete hinaus auf die Weide, liess den Schimmel einfangen und schlachten und wickelte die Prinzessin in seine frische Haut hinein; und auf die Stunde war die Prinzessin wieder genesen.
Nun war alles voll Jubel; das ganze Land erzählte von der fröhlichen Begebenheit; der Handwerksbursche durfte für immer in dem Schlosse bleiben und wurde gehalten wie das Kind im Haus.
Als sein Reisegefährte auf allen Strasse von dieser Geschichte reden hörte, ärgerte es ihn, dass er nicht mit auf das Königsschloss gegangen war. Aber nichts schien im leichter, als sogleich eine ebenso gute Nachricht zu erfahren und sie dem König zu überbringen. Er kehrte also um und suchte im Wald die Tanne, auf der sein Kamerad einst gesessen hatte; da kletterte er hinauf und erwartete die Nacht und den Hexenzug.
Abermals begann der Tanz und der Schmaus unter dem Baum, und die Hexen schwatzten und erzählten sich, dass die kranke Königstochter geheilt sei, seitdem einst ein Horcher ihre Gespräche unter diesem Baum belauscht habe; und Eine rief: “Dort sitzt ja der Andere auf der Tanne!” Da kletterten die Hexen hinauf und zerrissen ihn in tausend Fetzen.
Und am andern Morgen kam noch eine andere in`s Schloss und verlangte mit dem junen Menschen zu sprechen, der sich hier aufhalte; sie habe eine Nachricht aus der Heimat mitzuteilen. Der König aber liess die Hexen ergreifen und foltern, bis sie alles eingestanden hatten; und dann wurden sie eingemauert, dass sie elendiglich umkommen mussten. Dem Burschen aber gab er seine Tochter zur Gemahlin.

Kinder- und Hausmärchen aus der Schweiz, O. Sutermeister 1869, Aargau nach handschriftlicher Mitteilung von E. L. Rochholz

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen